Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt.
(1. Joh. 4,18-19)
Liebe Zuschauerinnen, liebe Zuschauer,
als ich vor einigen Wochen auf die U-Bahn wartete, erregte ein Zeitschriftenleser meine Aufmerksamkeit.
„Lieben lernen – Wie man Bindungsängste überwindet und als Paar glücklicher ist“:
diese Schlagzeile prangte auf der Ausgabe des Wochenmagazins Stern, die der junge Mann mit großem Interesse studierte.
Das Lieben lernen – wie funktioniert das eigentlich? Am Anfang steht wohl bei fast jedem Menschen die Erfahrung, selbst geliebt zu sein, zunächst von Vater und Mutter. Die elterliche Liebe ist eine Urerfahrung, die uns den Weg ins Leben ebnet.
Wem diese Erfahrung bedingungsloser Liebe nicht geschenkt wurde, geht mit einer schweren Hypothek in die Welt. Später schauen wir uns dann allerhand ab:
Wir beobachten, wie die Paarbeziehung unserer Eltern ge- oder misslingt, wir lassen uns von den Tabus und Wertvorstellungen unserer Gesellschaft und
Kultur prägen.
Von all diesen Rollenbildern nehmen wir bewusst und unbewusst viel mit und gestalten mit diesem Bündel an Erfahrungen unsere eigenen Beziehungen:
Unsere Freundschaften, die Beziehung zu unseren Kollegen am Arbeitsplatz, schließlich unsere Paarbeziehung und das Verhältnis zu unseren Kindern. So schließt sich der Kreis.
Ist das also das „Liebenlernen“?
„Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt.“, so steht es in 1. Johannes 4,19. Das bedeutet: Noch bevor unsere Eltern je auch nur an uns gedacht haben, hat Gott uns als sein geliebtes Kind angenommen.
Dasselbe gilt auch für jeden unserer Mitmenschen, ob uns das nun passt oder nicht.
Jede unserer gelungenen menschlichen Beziehungen hat ihren Ursprung in der einen großen Liebe, die Gott heißt. Uns von dieser Liebe durchströmen zu lassen und sie weiterzugeben, das ist unsere Berufung
als Christen.
Das bedeutet nicht, dass die oben genannten Faktoren die Beziehungen zu unseren Nächsten nicht beeinflussen. Gleichwohl ist es eine zutiefst befreiende Botschaft, dass ich nicht Spielball meiner Lebensumstände bin:
Der zerbrochenen Beziehung meiner Eltern, der teilweise sehr kalten gesellschaftlichen Zustände in meinem Land, einer Kultur, die mir ihre Maßstäbe und Etiketten aufnötigen will.
Nein, ich bin zuerst geliebt, komme was wolle! Ich darf lieben, welch ein Glück!
In dieser Gewissheit darf ich mich am heutigen 6. Dezember auch über ein Vorbild christlicher Nächstenliebe freuen, den in unserer Volksfrömmigkeit so beliebten Nikolaus von Myra.
Viele diesem Bischof zugeschriebene Wunder und Geschichten gehören sicherlich ins Reich der Legenden. Dennoch: Das großzügige Verschenken der selbst empfangenen Liebe Gottes scheint im Leben dieses großen Glaubensboten in vortrefflicher
Weise auf.
„Lieben lernen – Wie man Bindungsängste überwindet und als Paar glücklicher ist.“
Was nimmt der junge Leser am Bahnsteig wohl mit aus seiner Lektüre?
Dass er verbindlicher, verantwortlicher lieben und leben soll? Ich möchte ihm zurufen:
Mach’s doch wie der Nikolaus
– verschenk dich selbst, dann wirst du beschenkt! Trau dich! Denn: „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus; denn die Furcht rechnet mit Strafe. Wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in der Liebe.“
„Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt.“
(1. Joh. 4,18-19)