Es ist der 28. Mai des Jahres 1997. Ich stehe auf dem Dortmunder Friedensplatz und schaue noch immer ungläubig auf die Großbildleinwand. Rund sechshundert Kilometer weiter südlich hat Lars Ricken soeben das 3:1 für den BVB im Champions-League-Finale gegen den haushohen Favoriten Juventus Turin geschossen.
Schnitt.
Wir schreiben das Jahr 2013 und es ist Juni. Und wieder dieses Tor für die Ewigkeit: Andy Möller passt steil auf Ricken, der das Leder zehn Sekunden nach seiner Einwechslung aus 25 Metern über den Turiner Torwart Angelo Peruzzi lupft. Doch ich bin nicht mehr siebzehn Jahre alt. Ich stehe auch nicht mehr auf dem Dortmunder Friedensplatz, sondern sitze an meinem Schreibtisch.
Es ist Samstag und es ist halb fünf. Eigentlich wäre jetzt der Anpfiff zur zweiten Bundesliga-Halbzeit. Eigentlich. Es gibt jedoch keinen Bundesligafußball an diesem Wochenende, denn es ist Sommerpause.
Und so sitze ich hier bei strahlendem Sonnenschein und schaue mir auf meinem Laptop all die großen Tore an.
Warum ich das tue? Warum ich nicht das schöne Wetter nutze und spazieren gehe? Warum ich nicht Freunde besuche oder mich um die Blumen auf meinem Balkon kümmere?
Die Antwort ist so banal wie sie erschreckend ist: Weil es ein Samstag ohne Fußball ist, und weil ich genau das jetzt brauche:
Diese Bilder voller Nostalgie und verblichenem Glanz. Bei fast allen Toren weiß ich noch wo ich war, als sie fielen. Das ist ein Stück meiner Geschichte mit diesem Sport. Ein Stück der Geschichte eines Fans.
Und dafür ist die Sommerpause ja vielleicht auch da: einmal innezuhalten und sich vor Augen zu führen, wie wichtig mir dieser Sport und mein Verein sind, auch all das Gute und Schlechte, das ich mit dem Fußball erlebt habe: Meisterschaften, Beinahe-Abstiege, endlose Auswärtsfahrten, quälende Unentschieden, harte Niederlagen, glanzvolle Siege.
Wenn es um meinen Glauben geht, mache ich das viel zu selten. Ich halte mir viel zu selten vor Augen wie sie aussieht, meine ganz persönliche Geschichte mit Gott. Auch da gab es Zeiten der Verlassenheit, der Ängste, auch der unfassbar schmerzenden Niederlagen. Aber es gab auch die Aufstiege, die Zeiten des Triumphs und der rauschenden Feste.
Wieso aber nehme ich mir keine Zeit, einmal darüber nachzudenken? Warum setze ich mich nicht einmal an einem sonnigen Samstagnachmittag auf meinen Balkon und lasse meine große Geschichte mit dem Größten Revue passieren?
Vielleicht deshalb, weil Gott immer da ist, weil ich mich in seiner Gegenwart stets geborgen weiß?
Oder habe ich eventuell Angst, dass mich diese Auseinandersetzung mit der Vergangenheit in eine Höhle führt, in die ich gar nicht hinein möchte? Aber es ist schon paradox: Der Fußball ist nicht mein Gott. Gott ist mein Gott. Jesus Christus ist mein Gott. Der Heilige Geist ist mein Gott.
Auch deshalb: Ich muss sie aufspüren, diese fulminanten Fallrückzieher, Hackentricks und Blutgrätschen Gottes in meinem Leben.
Vielleicht brauche ich dafür ja auch spirituell eine Sommerpause.
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